VIELE JESUS-BILDER
GEISTERN DURCH UNSERE KÖPFE
Liebe in der Ökumene Engagierte,
in diesem Jahr grüße ich Sie und Euch mit dem Bild:
„Die Heilige Familie“
von Ana Sojor.
Regelmäßig zu den hohen christlichen Feiertagen gibt es ja immer wieder „Enthüllungen“, die den „wirklichen“ Jesus betreffen, z.B.: Wie hat Jesus „wirklich“ ausgesehen? Holder Jüngling mit lockigem Haar? Blond mit blauen Augen? Lange Haare, langer Bart oder Dreitagesbart? Sandalen?
Viele Jesus-Darstellungen geistern ja durch unsere Köpfe.
Es gibt keine Porträts von ihm aus Jesu Lebenszeit – „Du sollst Dir kein Bildnis machen“….. Die ersten Darstellungen von Jesus entstanden über 100 Jahre nach seiner Lebenszeit in Rom. Später bildeten Künstler Jesus mit weißer Haut ab, mit einem Bart und Mittelscheitel. Dieses Bild, das dem damaligen Schönheitsideal entsprach, setzte sich durch. Dass sich bis
heute viele Menschen Jesus als dunkelblond bis brünett gelockten Jüngling mit weißer Haut und blauen Augen vorstellen, hatte ursprünglich also kunsthistorische Gründe.
Aber Jesus von Nazareth lebte im Vorderen Orient und entsprach
wahrscheinlich auch in seinem Äußeren der dortigen Bevölkerung.
Wir haben also keine konkreten Anhaltspunkte, um das Aussehen des
historischen Jesus zu beschreiben. Für uns Christenmenschen ist es sowieso völlig unerheblich, wie Jesus zu Lebzeiten ausgesehen hat. Wir wissen nur, dass er als ein Mensch mit menschlichem Antlitz unter Menschen gelebt hat und das zählt.
Die große Karriere des europäisch-weißen Jesus als weltweitem Phänomen begann mit der Kolonisierung: Europäische Missionare verbreiteten auf Reisen ihre Jesusbilder und die Kolonialherren instrumentalisierten dieses weiße Jesus-Bild, um den Kolonisierten ihre klare Rangordnung aufzuzwingen: Die mit der weißen Haut herrschen, die anderen folgen. Es gab sogar eigens für Sklaven „redigierte“ Bibelausgaben, in denen das Weiß-Sein Jesu als Merkmal der Herrschenden präsentiert wurde.
Die Darstellung des weißen Jesus ist also keinesfalls neutral, sondern zeugt auch vom Missbrauch der Religion und der Unterwerfung anderer: People of Color ausschließlich als Empfangende zu sehen – das hat Auswirkungen bis heute, z.B. in unserer Partnerschafts-Arbeit.Im Zuge der Beschäftigung mit der eigenen Haltung zu unserem kolonialen Erbe ist zum Glück auch die Diskussion um die Darstellung von Jesus wieder neu entfacht. Jetzt könnte die Zeit sein, in der die Inkulturation auch mal in die andere Richtung funktioniert. So fordert der US-Jesuit James Martin: „Wir sollten für Jesusdarstellungen werben, die in die Kulturen passen, in denen wir jetzt leben. Er ist auferstanden und überall zu finden, am besten dort, wo man die eigene Komfortzone verlässt“. Nehmen wir das ernst, bedeutet das auch mehr Vielfalt in den Jesus-Darstellungen: Mal einen schwarzen Jesus in den österreichischen Alpen vielleicht?! Oder die Heilige Familie mal so sehen, wie sie uns die Malerin Ana Sojor im Sommer in unserer großen Ausstellung in Wesselburen vorgestellt hat!
Gott ist immer auf Seiten der Menschen, die am Rande stehen, die unterdrückt und verfolgt werden. Jesus ist besonders auf solche Menschen seiner Zeit zugegangen, die nicht gesehen, sondern ausgegrenzt wurden.
„Wie soll ich Dich empfangen?“, singen wir in diesen Tagen.
Die Antwort könnte heißen: im Nehmen und Geben, im Teilen von Leben in all seinen Facetten, indem wir mit den Menschen, die am Randstehen, die marginalisiert und diskriminiert werden, weiter an unserer Kirche bauen, indem wir ihnen Gehör verschaffen und ihnen zur Sichtbarkeit verhelfen in unserer Kirche, unserem Kirchenkreis und in unseren Gemeinden. Wir sind doch alle Gefährtinnen und Gefährten auf dem Weg zu Gott. Sehen wir
das so, dann ist Christus mitten unter uns. Auch im neuen Jahr.
Für diesen Weg wünsche ich uns allen Kraft und guten Lebens-Mut,
Heiner Wedemeyer
Ökumenische Arbeitsstelle
im Kirchenkreis Dithmarschen
Pastor Heiner Wedemeyer
Kleine Kirchreihe 11
25377 Kollmar
0151 61 33 84 53
heiner.wedemeyer@kirche-dithmarschen.de