Macken

Von | 28. August 2020

WAS PRÄGT MICH?

In einer Zeit, wo Mund-Nasen-Schutz zur Alltäglichkeit wird und es voraussichtlich auch bleiben wird, ist ein wesentlicher Teil sichtbarer Prägung verdeckt. Sich im Bereich Mund und Nase zu maskieren, war schon immer probates Mittel, Identität zu verbergen. Es bleiben nur die Augen-‚Blicke’. Ein wesentlicher Teil für Wahrnehmung und ‚Abgleich’ bleiben verdeckt.

Eine Herausforderung! Wir spüren die Bedeutung, über Mund- und Nasenbereich zu erkennen und erkannt zu werden. Der Prozess von Erkennen und Erkannt werden verläuft in Sekundenschnelle -und das  vornehmlich über den jetzt maskierten Bereich!

Ein selbstverständlicher Ablauf, der sich fast unbewusst vollzieht. Jedenfalls eine Chance angesichts der gegenwärtigen Situation einmal genauer hin zu schauen, was alles in dieser nonverbalen Begegnung geschieht.

Gespeicherte Erfahrungen werden mit der aktuellen Wahrnehmung abgeglichen. Verdecktes oder auch sonst durch Bedingungen Ausgeschlossenes erhält immer eine starke Bedeutungskraft, weil nicht verfügbar. Das gilt für den so wichtigen Bereich von Kontaktaufnahme und Verständigung ganz besonders. Durch diese Betrachtung soll die Kostbarkeit dieses kommunikativen Schatzes verdeulicht sein.


Kostbarkeit Beziehung

Gespeicherte Erfahrungen werden mit der aktuellen Wahrnehmung abgeglichen. In solchem Vorgang liegt ein großes kommunikatives Problem, das sich als schwerwiegend erweisen kann. Im Wahrnehmen und Deuten liegt nämlich die Gefahr verborgen, zu be- und zu verurteilen! Es werden ‚Schubladen’ geöffnet und diese Haltung wird mit Recht kritisch gesehen, weil Betroffene kaum eine Chance haben, dieser Zuordnung zu entkommen und wirklich ‚erkannt’ zu sein.

‚Dennoch sind da Mauern zwischen Menschen,
und nur durch Gitter (Vorurteile) sehen wir uns an …‘

In seiner Einmaligkeit erkannt zu sein, bedeutet Wertschätzung und die ist elementar für Stabilisierung des ‚Selbstwertgefühls’! Das ist nicht neu. Welche Bedeutung das alles für die Gestaltung von Beziehungen auch in größerem Zusammenhang hat, wird unterstrichen, wenn Jesus sich in seiner  Botschaft dessen annimmt.


1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.
2 Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden.
3 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?
4 Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und dabei steckt in deinem Auge ein Balken?
5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du versuchen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.

Matthäus-Evangelium 7, 1-5


Dieses Gleichnis in drastischem Bild setzt Maßstäbe für den Umgang mit Prägungen und erhält damit sein besonderes Gewicht.

Wenn die ‚Prägung’, also Ausdruck und Verhalten des Gegenübers so ‚reizen’, ihm das störende Anderssein, diesen  ‚Splitter’ aus dem Auge entfernen zu wollen, ist das ein Hinweis auf gestörten ‚Abgleich’. Die Begründung für den übergroßen ‚Reiz’ hat etwas mit gestörter Selbstwahrnehmung zu tun. Da fehlt der liebevolle Blick auf sich selbst. Die eigene Prägung trifft  auf eigene Ablehnung! Das führt zu einer ‚Projektion’, so der Fachbegriff. Diese ‚Störung’ wird auf das Gegenüber ‚projiziert’ und das landet bestenfalls in der berüchtigten ‚Schublade’. Hier liegt im Beziehungsgeschehen die Ursache mancher Konflikte, wenn der Eindruck entsteht, nicht angenommen zu sein, ‚wie ich nun einmal bin’.


‚Wenn man mich in eine Schublade stecken wollte,
würde es eine Kommode sein müssen.`
Der Klavier-Kabarettist und Künstler Bodo Wartke in einem Interview.


Die Massivität des Bildes, die sich in der Aufforderung zeigt, sich erst einmal des ‚Balkens’ im eigenen Auge bewusst zu werden, ist kaum zu überbieten. ‚Heuchelei’ ist ein harter Vorwurf. (Heuchelei bezeichnet ein moralisch bzw. ethisch negativ besetztes Verhalten, bei dem eine Person nach außen hin ein Bild von sich vermittelt, das nicht ihrem realen Selbst entspricht. Wikipedia) 

Es geht also  Verletzung auf beiden Seiten. So ist der aufgedeckte ‚Balken’ ein schmerzhafter, aber auch befreiender Prozess.

Er lädt ein, den ‚Balken’, also die Selbstverurteilung zu überwinden und die eigene Prägung anzuerkennen und lieb zu gewinnen. So sind wir nach dem Klärungsprozess an einer ganz entscheidenden Stelle unseres Seins berührt.

Es ist lohnend, sich einmal bewusst zu machen, wie viel Energie wir einsetzen, unsere Prägungen zu ‚verstehen’ oder zu ‚überwinden’. Dazu gibt es viele Angebote, sich auf die Spur zu kommen. Sie sind unbedingt zu schätzen, wenn sie nur dem Ziel dienen, die eigenen Prägungen und die darin verborgenen Möglichkeiten zu entdecken. Das kann ‚Arbeit’ am  eigenen ‚Balken’ bedeuten, vor allem aber, sich an der eigenen Originalität zu freuen.

Ich kenne als Initiator solcher Angebote in Seminarform viele dankbare ‚Liebeserklärungen’ nach entsprechender Selbsterfahrung: ‚Ich wusste nicht, welchen Schatz ich in mir habe.’ Auf meiner Homepage sind Impuls-Seminare dokumentiert. Über einen Link am Ende dieses Beitrages sind sie aufzurufen.

Natürlich gibt es auch ‚entstellte’ Prägungen. Vor allem, wenn es viel Angst und Lieblosigkeit in der Zeit der Entwicklung gab. Um den dennoch erworbenen Prägungsschatz freizulegen, bedarf es  häufig fachlicher Unterstützung.  Die gibt es und es lohnt sich unbedingt, sie zu nutzen! Da bin ich gern behilflich.

Für mich birgt die Intervention Jesu zu diesen sensiblen Vorgängen noch eine weitere Dimension. Anlässlich eines ‚Bibliologs’ zu dem Gleichnis entwickelte sich zwischen einer Teilnehmerin und Jesus dieser fiktive Dialog:

‚Sag mal, Jesus, wie stehst du eigentlich zu ‚Macken’? Seine Antwort ist überraschend: ‚Ich mag die Macken anderer sehr! Die machen Beziehungen so lebendig.’ Dann fährt er mit einem Lächeln fort: ‚Ich mag auch meine ‚Macke’!’ – ‚Du, Jesus, hast eine ‚Macke’?

‚Meine ‚Macke’, wie ihr Prägungen manchmal etwas lieblos bezeichnet, zeigt sich darin, dass ich mein Fühlen, Denken, Reden und Tun immer in unmittelbare Beziehung zu Gott bringe. Das bedeutet, dass ich mich vor einer Entscheidung immer ins Gebet oder einfach die Stille zurückziehe. Ich kann eben gar nicht anders und das hat Folgen!’

Nach dem genannten Bibliolog erkennt die Frau in einer anschließenden Betrachtung für sich, dass das ja hieße, dass ‚Gott’ unsere ‚Macken’ brauche, um seine Idee von umfassender und gestaltender Liebe in der Welt mit unserer Hilfe zu verwirklichen!

Ein wirklich neuer Blick auf sich ohne ‚Balken’, ohne ‚Brett vorm Kopf’!  Hinnahme: ‚Ich bin, wie ich bin’;  Hingabe: ‚Nimm mich mit meinen Prägungen, damit ich Werkzeug gestaltender Liebe sein kann’.

Der Same der Liebe Gottes geht so in der eigenen Prägung auf und führt zu überraschendem Einsatz. Überraschend für den Menschen selbst, überraschend aber auch für Weggefährten: ‚Das hätte ich nie von dir gedacht’!

In einem weiteren Bild im genannten Gleichnis beschreibt Jesus diese von ganz unterschiedlichen Prägungen bestimmte Existenz als ‚guten Baum’. Der könne nur gute Früchte bringen!


17 Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte.
18 Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten.
19 Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
20 An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.

Matthäus-Evangelium 7, 17-20


Das bedeutet, die eigenen Prägungen mit der Präsenz Gottes in mir in reflektierende Beziehung gebracht, bringen Gutes und Helfendes in die von Krisen geschüttelte Welt – und natürlich dir und mir auch!


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