Entscheidung

Von | 20. Oktober 2016

 

AUSWEG AUS EINEM DILEMMA?

Anrede 1                                                                                                                             20. Oktober 2016

Vielleicht habt ihr das Theaterstück von Ferdinand v. Schirach oder den entsprechenden Fernseh-Film ‚Terror‘ gesehen.

Mich hat die fiktive Gerichtsverhandlung gegen einen Kampf-Piloten der Bundesehr sehr beeindruckt. Der besagte Pilot war beauftragt, ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug mit 164 Menschen an Bord von einem geplanten Absturzziel abzudrängen und wenn möglich zur Landung zu zwingen. Alle Versuche misslangen. Er hat im Laufe dieser Aktion ohne ausdrücklichen Befehl die Maschine in eigener Verantwortung abgeschossen, um  so den offensichtlich geplanten gelenkten Absturz in ein vollbesetztes Stadion zu verhindern.

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Beweisaufnahme und Zeugenaussagen sind klar und entsprechen dem Geständnis des Angeklagten. Dann gibt es Rückfragen von der Staatsanwältin, Stellungnahmen des Verteidigers und schließlich auch die Begründung des Angeklagten zu seiner Entscheidung. Dazu wird er in den Zeugenstand gerufen.

Die zur Sprache gebrachten Hintergründe sind aufregend und beklemmend. Der Richter muss mehrfach intervenieren. Schließlich das Plädoyer der Staatsanwätin, die den Angeklagten für uneingeschränkt ’schuldig‘ hält. Dann das des Verteidigers, der abwägend zwischen ‚kleinerem‘ und ‚größerem Übel‘ für einen klaren Freispuch votiert.

Am Ende des Films habe ich als Zuschauer die Möglichkeit, mich  für ’schuldig‘ oder ’nicht schuldig‘ zu entscheiden. Ich schwanke in in meinem Empfindungen zwischen Protest und Sympathie. Ich protestiere gegen eine gewisse Kaltschnäuzigkeit und gleichzeitig entwickle ich zunehmend  Sympathie für den Soldaten, der seinen Entscheidungs-Konflikt allein im Cockpit sitzend glaubhaft schildert.

Ich plädiere für ‚unschuldig‘ im Sinne des Gesetzes mit belastetem ‚Bauchgefühl’… In einer nachfolgenden Fernsehdiskussion werden ähnliche Empfindungen benannt; auch das Hin- und Hergerissensein im Moment der Abstimmung. Ein wirklich kollektives Dilemma.

Eine in der Diskussionsrunde anwesende Theologin bringt den Aspekt des ‚Gewissens‘ ins Gespräch und macht deutlich, dass kein Gesetz, keine Moral Macht über das Gewissen hat.  Es ist eine individuelle Instanz, die natürlich von übernommenen Werten bestimmt ist, auf die man sich auch mehrheitlich verständigen kann. In Entscheidung herausfordernden Situationen aber ist sie niemals Instanz für ein klares ‚Entweder-Oder‘. Das Gewissen fordert Abwägung und kann dabei niemals Schuldigwerden ausschließen. Das ist die ganz persönliche Situation und der Konflikt ist nicht durch noch so ‚kluge‘ Argumente aufzulösen.

Christen gehen davon aus, dass das Gewissen auch ‚Ort des Geistes Gottes‘, dem Geist der Gerechtigkeit und Vergebung ist. In diesem Bewusstsein hat Jesus gelebt und gehandelt. Im seinem überlieferten Gebet, dem ‚Vater-Unser‘ stellt er die Bitte um Vergebung an prominente Stelle gleich nach der Bitte um das ‚tägliche Brot‘. Wir leben in allen Bereichen unseres Lebens von Vergebung, besonders und vor allem dann, wenn uns das Gewissen ‚anklagt‘.

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Darin müssen wir uns üben. Dazu brauchen wir das ‚innere Gespräch mit Gott‘, das wir Gebet nennen und die tragende gemeinschaftliche Solidarität.

Martin Luther soll formuliert haben – und er ist ein von Gewissenskämpfen geschüttelter glaubwürdiger Vertreter: ‚Sündige tapfer, aber glaube tapferer an die liebende Vergebung unseres Gottes.‘ In einem Beitrag unter www.mitteldeutsche-kirchenzeitungen lese ich diesen Text …


Einen Ausweg gibt es nur durch den Glauben, dass Gott es richten kann. Das andere bewerkstelligt dann Gott: Luther nennt das ‚fröhlichen Wechsel‘: Die Übertragung der Sünde auf Gott. Luther meinte: Steh dazu, dass du ein Sünder bist und bleibst, und sieh der Sünde unerschrocken ins Gesicht. Mach vor dem Abgrund deines Lebens nicht kehrt, sondern schau mutig hinunter, denn dort findest du den rettenden Christus!

Psychologisch gedeutet kam es Luther darauf an, dass die Sünde nicht nach innen verdrängt wird. Sie muss begangen, bewusst gemacht und bekannt werden, sonst zerfrisst sie das Innere. Luther erkannte: Der Versuch, das Böse zu eliminieren, scheitert im Inneren und Äußeren. In der Welt wird dadurch nur neue Gewalt geboren, im Selbst werden neue Abgründe geschaffen.

Helmut Frank

Ganzheit

Vergebung stellt die Ganzheit  heilender Beziehung wieder her


Diese Gewissheit und ‚Praxis‘ wünsche ich Dir, Amelie, Dir, Zacharias, mir und allen die jetzt lesen …. , wenn verantwortliches Entscheiden gefordert ist.

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